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AutorenbildCorinna H

Mehr Freiheit, mehr Verantwortung: Wie ist das denn eigentlich mit der Selbständigkeit?

[Werbung, unbezahlt]


Hallo zusammen,


heute wird es etwas off topic und wir bewegen uns weg von den mehr oder weniger klassischen HR-Themen zu der Frage, die mir früher oder später auf jedem Kundenprojekt begegnet - meist in einem verstohlenen Augenblick, wenn grade sonst niemand im Raum ist und als würde man was Verbotenes tun: „…du sag mal, wie ist das eigentlich so als Freelancer?“


Dieser Gedanke scheint häufiger in den Köpfen zu sein als man auf den ersten Blick glauben mag. Ich persönlich bin auch immer wieder überrascht davon, dass diese Frage überwiegend von Kolleginnen kommt, von denen ich gedacht hatte, dass sie glücklich und zufrieden in ihrer Festanstellung sind. Tja, so kann man sich täuschen. Darum werde ich heute meine Geschichte mit euch teilen – vielleicht treibt das Thema ja auch jemanden von euch grade um, und dieser Artikel hilft euch bei der Entscheidungsfindung.


Vorab ein kleiner Disclaimer: Ich schreibe über meine persönlichen Erfahrungen und auch ein wenig über die meiner Freundinnen und Freunde und meines Netzwerkes, also sehr stark aus meiner eigenen kleinen Bubble heraus. Der Schritt in die Selbständigkeit ist eine Lebensentscheidung, die massive Auswirkungen u.a. auf die eigene Lebenssituation und auch auf das eigene Vermögen haben kann, im Guten wie im Schlechten. Dieser Schritt will individuell wohl überlegt sein und ich möchte ausdrücklich niemandem dazu oder auch dagegen raten.


Was macht eigentlich ein „Freelancer“?

Fun fact: Dieser fancy englische Begriff ist ein sehr alter, er kommt nämlich wirklich aus dem Mittelalter. Dort konnten Ritter und Kämpfer, die keinem Dienstherren verpflichtet waren, ihre Waffendienste nach Gutdünken als „freie Lanzen“ anbieten, also Söldnertum im weitesten Sinne. Heute geht es etwas weniger martialisch zu und der Begriff bezeichnet gut qualifizierte selbständige Dienstleistende, die ihre Arbeitsleistung auf dem freien Markt für ein bestimmtes Projekt und einen befristeten Zeitraum anbieten, ohne an ein Unternehmen gebunden zu sein - im Zuge des Fachkräftemangels ein zunehmender Trend und eine attraktive Alternative zur Festanstellung.


Ich selber bin seit vier Jahren als selbständige Interimsmanagerin im HR-Bereich unterwegs und übernehme Projekte mit einer Dauer von drei bis neun Monaten im Bereich HR Business Partnering und Personalleitung und manchmal auch mal kleinere Fachprojekte. Wie es dazu kam… nun, weiter oben schreibe ich, dass der Schritt in die Selbständigkeit wohl überlegt sein will. Klassischerweise überlegt man sich zunächst, welches Geschäftsmodell man anzubieten hat, setzt einen Business Plan auf, um herauszufinden, ob das Geschäftsmodell auch fliegen kann und entscheidet sich dann dafür oder dagegen. Das alles habe ich nicht gemacht. Ich stand durch ein lukratives Abfindungsangebot meines letzten Arbeitgebers recht spontan mit viel Geld und Freizeit da, aber ohne Plan. Eine Selbständigkeit im Interimsmanagement war zu diesem Zeitpunkt eine interessante Option von mehreren, da ich den Gedanken reizvoll fand, in ein paar Unternehmen hineinzuschnuppern, ohne mich gleich wieder festlegen zu müssen. Glücklicherweise hatte ich zu dem Zeitpunkt einige Freundinnen und Freunde, die sich bereits an einer Selbständigkeit versucht hatten und mir mit Kontakten, Tipps und Ratschlägen zur Seite standen.


An dieser Stelle ganz lieben Dank an Kristina, Sebastian und meinen Bruder Steffen für all euren Support in dieser Zeit.


Ich war also noch am Überlegen, ob das überhaupt was für mich sein könnte und nutzte meine Freizeit, um mich ein wenig umzusehen und um ein Gefühl für den Markt zu bekommen. Einer der Kontakte aus dieser Zeit ist Henrik Banneck von Freelance Partner, eine Agentur zur Vermittlung von Freelancern. Im Lauf der letzten vier Jahre habe ich einige Agenturen kennengelernt, und ich bin weit davon entfernt, ein Agentur-Fangirl zu sein, im Gegenteil. Meiner Erfahrung nach sind die meisten Agenturen unverbindlich bis unseriös und nur hinter schnellem Geld her, in der Regel zu Lasten des Freelancers. Zum Glück gibt es Ausnahmen, und bei Freelance Partner setzen die Ansprechpartner auf langfristiges Beziehungsmanagement und matchen Kunde und Consultant sehr treffend. Henrik habe ich kennengelernt, als ich noch voll in der Findungsphase war. Er lud mich auf einen Kaffee in die Niederlassung ein und hat mir geduldig alle meine Fragen zum Markt, zum Interimsmanagement, zur Abrechnung und so weiter beantwortet, und er hat sie vor allem ehrlich beantwortet. Das weiß ich bis heute zu schätzen, da es für ihn zu dem Zeitpunkt noch gar nicht klar war, ob wir uns jemals wiedersehen geschweige denn ob er irgendwann mal Geld mit mir verdienen wird. Deswegen kriegt er jetzt auch diesen kostenlosen Werbeblock hier ;)


Aber manchmal sollen Dinge einfach so sein, wie sie sind. Drei Wochen nach unserem Gespräch klingelte mein Handy. Henrik war dran und fragte mich: „Was machen denn deine Pläne mit der Selbständigkeit, bist du da schon weitergekommen?“ Ich: „Äääääääh…“ Henrik: “Überlegs dir, ich hab hier eine super Projektanfrage, die ich mir bei dir sehr gut vorstellen könnte.“ Er hatte recht. Zwei Wochen später hatte ich mein erstes Interimsprojekt als HR Business Partner bei Lieferando, bis heute einer meiner Lieblingskunden. Und von da an ging es eigentlich stetig weiter bis heute.


Ist freelancing etwas für dich?

Das musst du natürlich selber entscheiden. Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich vorher über folgende Fragen klar zu werden:

  1. Hast du skills, die am Arbeitsmarkt gebraucht werden?

  2. Wie willst du Kunden und Projekte akquirieren?

  3. Wie flexibel bist du, was deine Tätigkeiten betrifft? Bedenke, Freelancer sind teuer und werden in der Regel nicht grundlos gebucht, sondern weil es irgendwo brennt. Spielst du gerne Feuerwehr, also kommst du schnell in neuen Themen an, und bist du dazu bereit, auch inhaltliche Abstriche hinzunehmen? Kannst du dich schnell auf verschiedene Persönlichkeitstypen einstellen?

  4. Verfügst du über genügend finanzielle Rücklagen, um Durststrecken zu überbrücken? Manche Projekte enden früher als geplant, und grade am Anfang sollte man sich nicht darauf verlassen, direkt ein Folgeprojekt zu finden. Dazu steigen die eigenen Fixkosten mit dem Einstieg in die Selbständigkeit stark an, etwa durch die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge, Steuerberatungskosten und Rücklagenbildung für urlaubs- und krankheitsbedingten Umsatzausfall, technische Ausstattung... Das läppert sich, habe ich anfangs auch total unterschätzt.

  5. Bist du mobil und zeitlich und örtlich flexibel? Klar, als Freelancer ist man nicht weisungsgebunden und kann theoretisch arbeiten, wo, wann und wie man möchte. In der Realität sehen es viele Kunden aber durchaus gerne, wenn man sich ab und zu mal im Büro blicken lässt, grade im HR-Bereich.

  6. Wie groß ist dein Sicherheitsbedürfnis? Zeiten ohne Projekt sind immer irgendwie doof, selbst wenn man bewusste und geplante Pausen einlegt (was unbedingt ratsam ist). Man weiß nicht, wann und wie es weitergeht und Arbeitslosengeld gibt’s auch keines. Es gibt Kunden mit schlechter Zahlungsmoral und grade jetzt ist unsere Wirtschaft nicht so stabil, dass man darauf vertrauen sollte, nach Projektende schnell wieder unterzukommen. Wenn du zu den Menschen gehörst, die nicht gut mit diesem Druck umgehen können oder wenn du hohe finanzielle Verpflichtungen hast, für die du einen zuverlässigen cash flow brauchst, solltest du dir den Schritt in die Selbständigkeit besonders gut überlegen.

  7. Wie kommst du mit Mehrarbeit klar? „Selbst und ständig“ kommt nicht von ungefähr. Neben der Zeit im Kundenprojekt steigt der eigene Verwaltungsaufwand stark an, dazu kommt Zeit für Akquise und Fortbildungen. Ich verurteile niemanden, der mit einer 40-Stunden-Woche und 30 Tagen Urlaub im Jahr glücklich ist, im Gegenteil, darauf bin ich ziemlich oft neidisch. Aber für eine erfolgreiche Selbstständigkeit sollte man damit klarkommen, mehr zu arbeiten als die/ der durchschnittliche Angestellte.

  8. Das Wichtigste zum Schluss: Warum willst du selbständig werden? Es gibt eine Menge guter Gründe für eine Selbständigkeit. Einige davon sind mehr Freiraum und größere zeitliche Flexibilität, ich kenne zum Beispiel viele Mütter, die sich in den letzten Jahren selbständig gemacht haben, weil sie eine Selbständigkeit besser mit ihrer Familienzeit verbinden können, und Teilzeit ist im Interimsmanagement ein absolut anerkanntes Modell. Es kann auch die Neugier auf neue Themen und Menschen sein, eine steile Lernkurve oder die Lust auf Herausforderungen. KEIN guter Grund ist es, schnell viel Geld verdienen zu wollen. Lasst euch keinesfalls von den hohen Summen verführen, die auf den Rechnungen stehen. Die traurige Wahrheit ist, dass einem das meiste davon nicht gehört und man von dem kläglichen Rest (bei mir 30%-40%) noch Rücklagen für schlechte Zeiten bilden muss. Ich bin jetzt nach vier Jahren Selbständigkeit, in denen ich fast durchgehend gearbeitet habe, endlich an dem Punkt, dass ich mir mit guten Gefühl ein- bis zwei Monate Auszeit gönnen kann :)

Was brauchst du für den Start in die Selbständigkeit?

Hier sind meine Empfehlungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) für eine Freelancer-Grundausstattung:

  1. Das A und O ist eine gute Steuerberatung. Ich wäre ohne völlig verloren, da bin ich ganz ehrlich. Ich habe auch Freelancer-KollegInnen, die sich selber um ihre Buchhaltung etc. kümmern. Für mich war das aber ein Posten, den ich ganz schnell outsourcen wollte :)

  2. Beantrage rechtzeitig beim Finanzamt deine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Du kannst zwar anfangs auf deinen Rechnungen auch deine Lohnsteuer-Identnummer verwenden, aber irgendwann nervt das, und das Finanzamt braucht manchmal Monate zur Vergabe der Ust-Idnr..

  3. Du kannst freiwillig sowohl in die Arbeitslosen- als auch in die Rentenversicherung einzahlen, das musst du aber zeitnah nach dem Beginn der Selbständigkeit tun, denn die erste Möglichkeit geht nur in einem relativ kurzen Zeitraum. In jedem Fall ist der Abschluss einer (zusätzlichen) privaten Rentenversicherung ratsam, und es gibt auch ein breites Portfolio an Möglichkeiten, mit denen man sich vertraut machen sollte.

  4. Setze dich zeitnah mit dem Thema Krankenversicherung auseinander. Es gibt gute Gründe für und gegen einen Wechsel in die PKV, auf die ich hier nicht weiter eingehe, weil es den Rahmen sprengen würde. Auf jeden Fall musst du deine aktuelle Krankenversicherung über deinen Statuswechsel informieren.

  5. Ein extra Firmenkonto macht unbedingt Sinn.

  6. Als Freelancer brauchst du dein eigenes technisches Equipment. Manche Kunden möchten, dass man aus Sicherheitsgründen einen Firmenlaptop verwendet, trotzdem solltest du einen Laptop und ein Handy einsatzbereit haben.

  7. Einige meiner Freelancer-KollegInnen haben eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Meiner Meinung ist das kein must have, aber man sollte sich zumindest einmal mit dem Thema auseinandergesetzt haben, genau wie mit dem Thema Rechtschutz im Allgemeinen.

  8. In welcher Form möchtest du dich selbständig machen? Ich bin einzelunternehmerisch tätig, weil das die unbürokratischste Form der Selbständigkeit ist. Eine Gründung einer GmbH kann aber auch durchaus sinnvoll sein, z.B. aus steuerlichen Gründen. Auch für diese Entscheidung empfehle ich den Gang zur Steuerexpertin.

Die ersten sechs Punkte sollte man vor dem Start der Selbständigkeit geklärt oder zumindest angestoßen haben, alles andere ergibt sich mit der Zeit. Und ich hoffe, dass euch diese sehr lange Liste nicht abschreckt. Ja, am Anfang prasselt vieles auf einen herab, aber die meisten Fragen stellen sich nur einmal und bei den anderen Themen kommt man schnell in eine Routine. Nach ein paar Monaten fühlt es sich an, als hätte man nie etwas anderes gemacht :)


Vielleicht hat euch dieser Artikel ein wenig geholfen oder zumindest unterhalten. Falls ihr Fragen zu dem Thema habt, könnt ihr euch auch gerne direkt bei mir melden. Wie schon erwähnt hatte ich damals tolle Unterstützung und ich freue mich, wenn ich etwas davon an euch weitergeben kann.



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